Fiskalpolitik
Der Staat kann fiskalpolitisch auf mehrere Arten in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen. Einerseits kann er die Höhe des Staatskonsums
steigern oder verringern, womit er direkt die Gesamtnachfrage verändert. Andererseits kann er durch Steuern und Transferzahlungen das
verfügbare Einkommen der Haushalte verändern und somit Einfluss auf deren Nachfrage nehmen.
In beiden Fällen kommt es zu einer Verschiebung der aggregierten Nachfragekurve. Erhöht der Staat seine Ausgaben,
so wird die Kurve nach rechts verschoben, während bei einer Verringerung der Ausgaben die Kurve nach links verschoben wird. Die effektive Wirkung einer fiskalpolitischen Massnahme hängt unter anderem von zwei Effekten ab, dem Multiplikator- und dem Verdrängungseffekt.
Multiplikatoreffekt
Der Multiplikatoreffekt gibt an, wie stark die Auswirkungen einer Änderung der Staatsausgaben auf die Gesamtnachfrage und das
Gesamteinkommen sind. Erweitert der Staat z.B. seine Ausgaben für Verteidigungszwecke um 1 Milliarden Franken, so wird die Nachfrage
erhöht und verschiebt sich um diesen Betrag nach rechts. Vorausgesetzt die Unternehmen besitzen noch unausgelastete Kapazitäten, so
produzieren sie wegen der grösseren Nachfrage mehr. Auf der einen Seite bedeutet das, dass diese Unternehmen mehr Güter für die
Fertigung benötigen. Auf der anderen Seite steigt wegen der grösseren Produktion das Einkommen der Bevölkerung und somit auch die
Nachfrage. Allerdings ist dieser Anstieg des Konsums kleiner als die Einkommenserhöhung, weil ein Teil der Einkommenserhöhung gespart
wird. D. h. die Konsumquote ist kleiner als 1. Dieser Vorgang setzt sich fort. Durch den erneuten Nachfrageanstieg kommt es wieder zu einer
Erhöhung des Beschäftigungs- und Lohnniveaus sowie zu Gewinnsteigerungen der Unternehmen. Dies lässt nochmals die Nachfrage und
das Gesamteinkommen steigen. Der Vorgang wiederholt sich immer wieder mit ständig kleiner werden dem Ausmass. Somit hat der erste
Nachfrageanstieg weit grössere Auswirkungen als nur eine Erhöhung der aggregierten Nachfrage um den Betrag von 1 Milliarde Franken.
Verdrängungseffekt
Der Verdrängungseffekt, auch als Crowding-Out-Effekt bekannt, besagt, dass es bei expansiver Fiskalpolitik einen Nachfragerückgang
wegen Zinssatzsteigerungen gibt. Dies liegt an folgendem Zusammenhang: Eine Erhöhung der Staatsausgaben führt, wie oben gezeigt,
zu einer Steigerung des Gesamteinkommens und zu einer Zunahme der Nachfrage nach Güter und Dienstleistungen. Aufgrund der
vermehrten Nachfrage vergrössern die Menschen ihre Kassenhaltung. Ist die Geldmenge konstant, so liegt ein Geldnachfrageüberhang vor
und die Zinsen steigen. Ausserdem ergibt sich auch einen Zinsanstieg, wenn der Staates seine fiskalpolitischen Massnahmen mit Krediten
finanziert. Höhere Zinsen drängen aber private Bauinvestitionen und unternehmerische Investitionen zurück, da sich die Kreditfinanzierung
verteuert. Dieser Verdrängungseffekt kompensiert teilweise die expansiven Effekte der Erhöhung der Staatsausgaben.
In der Abbildung sind beide Effekte veranschaulicht. Die Kurve YD1 symbolisiert die ursprüngliche Nachfrage. Diese verschiebt sich bei
einer Erhöhung der Staatsausgaben auf YD2. Bewegt man Punkt M, d. h. es liegt ein Multiplikatoreffekt vor, so steigt die Gesamtnachfrage
bis auf das Niveau von YD3. Wirkt zusätzlich der Crowding-Out-Effekt, dann schrumpft die Nachfrage (YD4) (Punkt C nach oben).
Die Auswirkungen einer expansiven Fiskalpolitik hängen davon ab welcher der beiden Effekte dominiert. Spielt der Multiplikatoreffekt die größere
Rolle, so kommt es bei einer Erhöhung der Staatsausgaben um 1 Milliarde Franken zu einem Nachfrageanstieg, der grösser als 1 Milliarde
Franken ist. Dominiert der Verdrängungseffekt, so bleibt die Änderung der Gesamtnachfrage unter 1 Milliarde Franken.
(Daneben kann der Staat auch eine angebotsorientierte Fiskalpolitik betreiben. Durch die Veränderung von Steuern, Abgaben, Subventionen kann
der Staat Einfluss auf die Kosten und Gewinne von Unternehmen und damit auf das aggregierte Angebot nehmen.)